Am Herd mit Max Strohe

Am Herd mit Max Strohe: Hitze, Wein und Kaviar

Als Teenager hat er die Schule abgebrochen, wollte sein wie Kurt Cobain. Heute ist er selbst ein Rockstar, nur mit Kochlöffel statt Gitarre. Max Strohe, Chefkoch im Berliner "Tulus Lotrek", gibt unserem Kolumnisten Tobias Haberl eine Lehrstunde am Herd.
Text Tobias Haberl
Datum09.08.2023
Koch Max Stroche gibt unserem Kolumnisten Tobias Haberl Unterricht am Herd

Ich esse wahnsinnig gern, koche aber ungern. Pasta mit irgendwas? Kriege ich hin. Ein Steak auch, wenn’s nicht à point sein muss, aber fragen Sie mich bitte nicht, wie man pökelt oder pochiert. Und dann habe ich Max Strohe kennengelernt, eher aus Zufall, ich wusste nicht, wie angesagt sein Lokal, das "Tulus Lotrek" in Berlin-Kreuzberg, gerade ist. Aber als ich begriffen hatte, wen ich vor mir habe, witterte ich meine Chance und fragte, ob er (der Sternekoch) Lust hätte, mit mir (dem Dilettanten) was zu kochen, und gerade, als ich dachte, mein Gott, wie aufdringlich, meinte er: "Klar, wann willst du vorbeikommen?!"

Zu Gast bei Max Strohe

Berlin-Kreuzberg also. Unten das Restaurant, eine Art Altbauwohnzimmer, drüber die Wohnung, viele Bücher, bisschen Chaos und klar: schicke Küche mit Gasherd, gusseisernen Töpfen und Push-to-open-Schubladen (nervig, wenn man sich dran lehnt). Als ich ankomme, packt Max Strohe, den man sofort duzen muss, weil alles andere lächerlich wäre, einen gewaltigen Meerrettich aus. "Brauchen wir den?", frage ich. – "Nein", sagt er. –"Warum hast du ihn dann besorgt?" – Und er so: "Weil ich’s geil finde, einen zu haben."

Man hört immer wieder, dass Sterneköch:innen maximal durchgeknallt sind; so gesehen ist Max Strohe ein ganz normaler Sternekoch. Letztes Jahr hat er ein Buch geschrieben: "Kochen am offenen Herzen"*. Es geht um Sex, Drogen und ja, um Kochen. Als Teenager hat er die Schule abgebrochen, wollte sein wie Kurt Cobain. Heute ist er selbst ein Rockstar, nur mit Kochlöffel statt Gitarre.

Noch mehr spannende Persönlichkeiten:

Es gibt: Lammschulter – vorneweg Garnelen

Sein Plan für den Abend: "Rumhängen, bisschen was kochen, währenddessen schon mal essen und trinken." So sehe das nämlich aus, wenn er privat koche. Mache er übrigens selten, zweimal im Monat. Er habe mal geschaut, was er zu Hause habe, eine Lammschulter, die könne man schmoren, dazu ein Chardonnay, ach, den könne man eigentlich gleich mal aufmachen. Erster Eindruck: Der Mann ist sinnlich, dekadent, kompromisslos, der brennt nicht, der lodert. Und im Job würde er das natürlich nicht machen, aber weil man unter sich sei, zünde er sich jetzt mal eine Kippe an, also wenn man nichts dagegen habe. 

Man einigt sich auf das Ziel des Abends: "Keine Lehrstunde, sondern Spaß." Und während der Souschef unten im Restaurant Perlhuhn mit Rumrosinen-Sauce und Sauerkraut-Velouté zubereitet, gibt’s bei uns Lammschulter mit Risotto alla milanese, vorneweg ein paar Garnelen, die knallroten, riesigen, teuren, "Carabineros aus Malle“. 

Der Lehrling und sein Meister

Strohe hält mir eine Karotte hin: "Das ist eine Karotte", sagt er grinsend. "Schon mal gesehen?" Klar, was jetzt kommt: Der Lehrling muss schnippeln, Karotten, Sellerie, Zwiebeln. Das Lammfleisch zischt im Rapsöl. Bei mir sofort Panik, dass was anbrennt. Als ich es wenden will, die erste Lektion: "Cool bleiben, Luft ist scheiße, Hitze ist geil!" Ich dachte immer, dass ich wenig Ahnung vom Kochen habe. Jetzt merke ich, dass ich keinen Schimmer habe. Lektion zwei: Ich will salzen. Er so: "Noch nicht. Salz lässt Wasser austreten. Wollen wir nicht." Ich bin gebannt von Strohes Lässigkeit, seinem Wissen, seinen eleganten Handgriffen, dabei strengt er sich an, permanent zu betonen, wie simpel alles sei, posiert nicht, macht Mut, während er raucht und trinkt und eine lustige Geschichte nach der anderen erzählt, nebenbei naschen wir französischen Käse und Imperial-Kaviar, den er vom 75. Geburtstag seines Vaters übrig hat.

Max Strohe: Privat mag er es lecker und einfach

Wie viele Messer man als Koch brauche? "Zwei", sagt er, "ein kleines und ein großes." Wie man einen guten Gemüsefond hinkriege? "Zur Not gibt’s Fond aus dem Hahn." Was er privat am liebsten esse? "Lecker und einfach." Der Mensch wolle doch immer, was er nicht habe. Also gutes Brot, guten Käse, zum Frühstück Pancakes und ein pochiertes Ei mit Sauce hollandaise. Klar esse er gern Salat mit Hummer. Würde er für sich aber nicht machen. Zu aufwendig, zu teuer. 

Dann kommt seine dreizehnjährige Tochter nach Hause: Garnelen? Nein! Bisschen Lamm? Nein! Pizza? Okay! Noch so ein Strohe-Satz: "Wenn du ein gutes Produkt hat, brauchst du nicht viel Firlefanz, gell!" Deswegen auch diese Wahnsinnsgarnelen, die ich nicht zerteilen ("sonst verletzt du dich!"), deren Darm ich aber mit einer riesigen Pinzette rausziehen darf. "Ekel?", fragt er. – "Ach, geht schon." Wir lassen sie in der Schale, kochen die Köpfe kurz auf, schütten den Sud in die Pfanne, braten sie ein paar Sekunden an, spritzen Zitrone drüber, werfen grobkörniges Salz drüber, pulen das Fleisch mit den Händen aus den Tieren, weil so "ein anderes Feeling aufkommt". Ach ja, wenn man noch mehr Salz brauche, "nimm einfach Kaviar!" Und ich würde das Erlebnis ja beschreiben, aber es gibt keine Worte dafür; jedenfalls war ich für ein paar Minuten nicht in Kreuzberg, sondern woanders, definitiv am Meer, und alles war gut und ergab Sinn.

Schau bei den Kolleg:innen vom FEINSCHMECKER vorbei und erfahre mehr über den Koch aus Berlin: Max Strohe kocht für Lustesser – der Spitzenkoch im Porträt 

Ein krönender Abschluss

Das Lamm köchelt und kriegt Gesellschaft von Tomatenmark, eingelegten Tomaten, Weißwein, Knoblauch, Thymian, Rosmarin, alles im genau richtigen Moment, das Risotto wird mit Wein abgelöscht und mit Safran und Parmesan verfeinert, wir degustieren, schieben uns gegenseitig den Löffel in den Mund, sagen "Hmm" und "Ahh". 

Irgendwann wird sehr lecker gegessen, und als der Weißwein leer ist, schlendern wir rüber zum Spätkauf, trinken ein Bier in der Eiseskälte und weil es so schön ist: noch eins, und reden, die Hände in den Jackentaschen, über Bücher und Menschen, die wir lieben oder auch nicht, und ich bin mir nicht sicher, aber es könnte sein, dass dieser Abend der Beginn von etwas war, muss ja nicht unbedingt die eigene Kochkarriere sein.

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