Meret Becker im Interview
FOODIE: Liebe Meret, du bist in West-Berlin aufgewachsen in einer kreativen Familie; deine Mutter die Schauspielerin Monika Hansen, deine Oma die Komikerin Claire Schlichting, dein Opa ein Tänzer, dein (Zieh-)Vater Otto Sander. Welche Rolle spielte in dem Künstlerhaushalt das Essen?
Meret Becker: Man ging viel in Restaurants. Als Schauspielerkind bist du immer auch ein bisschen ein Kneipenkind. Dementsprechend wurde abends gegessen, und man schlief bis in die Puppen. Das Frühstück für die Schule war also nie meiner Mutter Naturell. Aber sie hat es durchgezogen. Eine Graubrotstulle und einen Rieseneimer mit Kakao, und sobald wir Kinder aus der Tür waren, zurück ins Bett. Brötchen gab‘s bei uns so gut wie nie – dafür hätte jemand ja noch vorm Frühstück zum Bäcker gemusst. Unglaublich hingegen waren ihre Geburtstagskuchen – oder besser – ihre Kunstwerke auf Teigbasis. Als Ben seine Punkphase hatte, türmten sich zu seinem Geburtstag da mit Sicherheitsnadeln gepiercte Marshmallows. Ich bekam zu meinem 14. als Marilyn-Monroe-Verliebte einen riesigen Busen in pinkem Tüll.
FOODIE: Aber es gab doch bestimmt mal eine warme Mahlzeit …
Meret Becker: Doch, es wurde viel gekocht, mal würzigmediterran, mal süßsauer-ostpreußisch. Beides hat mich geprägt. Anders als beim Backen, wo‘s um Optik ging, hat meine Mutter beim Kochen alle Energie in den Geschmack gesteckt, mit viel Olivenöl, Knoblauch, Tomaten, frischen Kräutern. Als ich klein war, dachte ich, meine Mutter sei Italienerin. Bei meiner besten Freundin gab es Hühnerfrikassee mit Maggi, das war mir eher fremd. Aber ich hab immer alles gegessen. „Lieber den Magen verrenken, als dem Wirt was schenken“, meinem Vater Otto war der Respekt vor dem Essen wichtig. Oft ging‘s im Restaurant am Ende in die Küche, um Danke zu sagen. „Das bisschen, was ich esse, kann ich auch trinken“, meinte er aber auch oft salopp.
FOODIE: Woher kamen die Aromen aus Ostpreußen?
Meret Becker: Oma Mannke! Wir hatten diverse Omas. Mamas Mama, die Showbiz-Oma, die Mutter unseres leiblichen Vaters, Ottos Mutter und Oma Mannke. Sie war unsere Zieh-Oma und Zieh-Mama. Sie war Ostpreußin und hat wie dort gekocht. Aber ... Ist das schön, über Essen zu reden!
FOODIE: Ja?
Meret Becker: Über ESSENzielles, daher kommt das Wort sicher, das ist hier viel vielschichtiger als normale Interviews. Ich fühle mich gerade ganz nah bei Oma, den anderen, bei mir. Dafür danke.
FOODIE: Wie schön! Welche Gerichte von ihr waren deine Favoriten?
Meret Becker: Ganz vorn waren die Hefeklöße in Form kleiner Sofakissen mit Pflaumen, Zimt und Zucker. Ihr Trick bei grünen Bohnen war etwas Zucker, gefolgt von einer Apfelessig-Dusche. Und an ihre Senfeier – ein Killer! – kam Gurkenwasser. Also, liebe FOODIE-Leser, selbst Gurkenwasser nicht wegschütten. Dann gab es natürlich Königsberger Klopse. Und Pfannkuchen mit Apfelmus, Ben und ich machten Wettessen. Süß war Omas Reaktion, als ich mit 15 entschied, Vegetarierin zu sein. „Kind, iss man doch!“ – „Oma, ich ess’ doch kein Fleisch mehr.“ – „Is doch kejn Fleisch, is ne Bulette!“
FOODIE: Aber gerade hast du Schwertmuschel gegessen, auf dem Teller locken Rücken, Zunge, Schulter vom Brandenburger Reh.
Meret Becker: Nach und nach habe ich für mich passende Regeln aufgestellt. Ich esse kein Schwein, andere Tiere müssen aus gutem Hause kommen und möglichst stressfrei getötet worden sein. Das Reh hier wurde – wie ja erklärt wurde – vom Jäger im Wald geschossen, der Tod kam blitzschnell. Wer mir erzählt, Tiere hätten keine Angst vorm Tod, redet – hier passt das Wort – Bullshit. Gerade Schweine spüren alles, ich hab‘s gesehen, die schlottern und wissen, was kommt.
FOODIE: Gibt es etwas, das Meret Becker nicht schmeckt?
Meret Becker: Dazu gibt es eine Anekdote: Wir und die Fitzens, auch so ‘ne Schauspielerfamilie, hatten mal ein Ferienhaus gemietet. Als wir dort ankamen, fragte mich Ute Fitz, die Frau von Peter Fitz: „Isst du Tomatensuppe?“ In dem Moment war ich perplex. Auf die Idee, dass man Essen ablehnen könnte, kam ich gar nicht, so war ich nicht erzogen; ich aß alles – bis auf Kartoffelpuffer, das nur ungern. Bratkartoffeln, knackige Rösti – wunderbar! Puffer halte ich für unentschlossen.
FOODIE: Welches Essen baut dich auf?
Meret Becker: Ob die frische, saftige Graubrotstulle, Fisch oder Pasta, wenn viel Butter dran ist, ist das Seelenfutter. Kochst du selbst? Natürlich, und mitunter richtig gut: viel Fisch, Currys, kreolisch Angehauchtes, bei Pasta kommt meine Mutter durch. Etwa bei meinen Tagliatelle mit Salbei, Parmesan, Knoblauch, Ei. Da blüh‘ ich auf: Das wird so herrlich schlotzig. Dazu ein schlichter grüner Salat mit einem Spritzer Sojasauce. Das vergangene Jahr war schwierig, gerade für die Kunst. Was wünschst du dir für die Zukunft? Dass wir endlich wieder zusammen Musik zelebrieren, in die Theater und die Kinos gehen; dieser intime Raum – man lacht und weint mit anderen und ist doch ganz bei sich. Ähnlich ist es ja im Restaurant. Besonders wünsche ich mir, dass alle Fabian oder Der Gang vor die Hunde sehen, den Film von Dominik Graf nach Erich Kästners Roman. Dieser Film ist für mich das Höchste, einer aus der Reihe großer deutscher Filme; gedreht mit Empathie und ohne Angst. Dass ich da mitspiele, macht mich glücklich. Und wir müssen die Erde retten – den Gang vor die Hunde abwenden.
FOODIE: Du bist auch in der vierten Staffel von Babylon Berlin mit dabei.
Meret Becker: Da sehe ich klasse aus, der irren Kostüme von Pierre-Yves Gayraud wegen. Ich esse in meiner Rolle aber nie, stattdessen rauche ich Kette – allerdings Kräuterzigaretten. Früher habe ich viel geraucht. Ich habe aufgehört. Wenn ich wieder anfange, dann mit 80.
Biografie Meret Becker
Die Schauspielerin und Musikerin/Sängerin Meret Becker ist in Bremen geboren und in Berlin aufgewachsen. Mit 16 brach sie die Schule ab, um vor der Kamera zu stehen. Auf der Leinwand beeindruckte sie in „Kleine Haie“, „Die Sieger“ oder „Feuchtgebiete“. Seit 2015 spielt sie im Berliner „Tatort“ die Kommissarin. Auch in der nächsten 4. Staffel von „Babylon Berlin“ tritt sie als schillernde Produzentengattin auf. Im neuen Kinofilm „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ spielt sie neben Tom Schilling die Inhaberin eines Männerbordells. Sie lebt in Berlin-Friedrichshain und hat eine Tochter.