Food-Start-up-Analyse
Seit der ersten Ausgabe (2016) stellt FOODIE deutsche Food-Start-ups vor. Einige sind gescheitert, viele sind erfolgreich. Mit sechs von ihnen haben wir gesprochen, um herauszufinden, was ein erfolgreiches Start-up ausmacht. Schnell wurde klar: Die eine Erfolgsformel gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die Konzepte, die Motivation der Gründer:innen und die Märkte, für die ein Produkt oder eine Dienstleistung gedacht sind. Gerade bei Lebensmitteln herrscht ein enormer Wettbewerb, viele Produkte verschwinden nach kurzer Zeit wieder, selbst die von großen Herstellern.
Wie können Food-Start-ups mit nur einem Produkt erfolgreich sein?
Anders sein, wäre die kurze Antwort. Die lange Version erzählt von Fehlschlägen, Durchhaltevermögen und gutem Timing. bee.neo, ein Honig-Start-up aus Hamburg, brauchte drei Anläufe, um da zu sein, wo es heute ist – in deutschen Supermarktregalen. Angefangen hat es mit der Idee, Honig herzustellen, der Leuten schmeckt, die keinen Honig mögen. Dafür haben die drei Gründer:innen, Alica, Simon und Philipp, Honig mit Himbeeren, Schokolade oder Ingwer vermischt, den sie digital vermarkten wollten. „Wir haben nachhaltige Refill-Beutel mit unserem Honig hergestellt, weil jeder ein leeres Marmeladenglas zu Hause rumstehen hat“, erinnert sich Philipp Weller.
Ein erfolgreiches Crowdfunding ermöglichte die erste Produktion und machte den Handel auf den Honig aufmerksam. Weil der nichts mit Kraftpapierbeuteln anfangen kann, wurde auf nachhaltige Becher aus Papier umgestellt. „Wir merkten schnell, dass Becher nicht funktionieren und unser Alleinstellungsmerkmal, die andere Farbe und damit der andere Geschmack, nicht auffallen.“ Der rote Himbeerhonig oder der braune Schokohonig kommen nur im Glas zur Geltung, auf das sie dann umgestiegen sind. Und das eigentliche Ziel? „Wir kennen viele, die keinen Honig mögen – außer unseren.“
An die Idee glauben, Feedback ernst nehmen und den Markt verstehen. Drei wichtige Kriterien, die es braucht, um Erfolg zu haben. Bei Kombucha kommt noch eine andere Herausforderung dazu: das Unbekannte. Irgendwann, irgendwo hat jeder schon mal vom fermentierten Teegetränk gehört, nur wissen wenige, was Kombucha eigentlich ist. Die Gründer von ROY Kombucha sind sich dessen bewusst und vermarkten ihr Getränk als handwerklich hergestelltes Lifestyle-Getränk. Fabio Carlucci und Rupert Hoffschmidt kommen aus der Tech-Szene, haben privat gebraut und festgestellt, dass es kaum kommerziellen Kombucha in Deutschland gibt. Diese Marktlücke wollten sie schließen.
2019 füllten sie ihren ersten Kombucha ab, entwickelten weitere Sorten und ein modernes Design. Der wachsende Markt machte Investoren auf ROY Kombucha aufmerksam, sodass sie zuletzt 400 000 Euro einsammeln konnten, die vor allem für den Ausbau der Berliner Produktion genutzt wurden. „Der Trend zum Fermentieren spielt uns dabei in die Hände, dazu ein Produkt aus natürlichen Zutaten, das lokal produziert wird. Das trifft den Zeitgeist“, sagt Rupert Hoffschmidt. Modernes Design, Bio-Rohstoffe und Sondereditionen, etwa mit dem Lieferdienst Gorillas, tragen zum Erfolg des Duos bei.
Nachhaltigkeit, zieht die nicht immer?
Keineswegs, ist aber essenziell für die meisten Food-Start-ups. Doch egal, wie nachhaltig ein Produkt ist, am Ende muss es schmecken. Diese Erfahrung haben auch Jan und Rebecca, die Gründer:in von NOMOO, gemacht. Ihr Ziel war es, eine pflanzliche Alternative zu Milchspeiseeis anzubieten, die ihm im Geschmack in nichts nachsteht oder sogar besser ist. „Als wir angefangen haben, gab es kein wirklich leckeres Eis, das ohne Milch produziert wurde, da haben wir eine Chance gesehen, den Eismarkt richtig aufzumischen“, erinnert sich Rebecca Göckel.
Die ersten eigenen Versuche waren vielversprechend, und eine Restaurantküche, in der sie produzieren durften, war auch gefunden. Die Nachfrage stieg, und irgendwann stellte sich ihnen die Frage, wann sie skalieren, Mitarbeiter einstellen und externe Investoren hereinholen. „Wir haben so viel Herzblut in unsere Idee gesteckt und immer daran geglaubt, dass NOMOO mal so richtig groß wird. Unser rasantes Wachstum bestätigt uns darin.“ Ihr Erfolg hat auch mit dem gesellschaftlichen Wandel zu tun, bei dem vegane Produkte und Nachhaltigkeit immer wichtiger werden.
Das Problem mit Pappbechern
Das spüren die Gründer des Food-Start-ups RECUP ebenfalls. 2016 starteten Fabian Eckert und Florian Pachaly mit ihrer Idee eines Pfandsystems für To-go-Becher in Rosenheim. Die schiere Menge an Müll, die durch Pappbecher verursacht wird, brachte sie auf die naheliegende Idee, die niemand vor ihnen umgesetzt hat. Mittlerweile gibt es die Pfandbecher an 8500 Standorten in Deutschland.
Doch bevor es so weit war, galt es, zwei Herausforderungen zu meistern. „Erst mal mussten wir Aufmerksamkeit für das Problem mit Pappbechern schaffen und Gastronomen davon überzeugen, dass es keinen Mehraufwand für sie bedeutet“, erzählt Greta Mager, die Pressesprecherin von RECUP. Unabhängige Cafés konnten sich schnell dafür begeistern, sodass sich das Pfandsystem nach Rosenheim erst in München und dann in ganz Deutschland etablierte. Zum Sortiment gehören auch „Rebowls“ für Essen, die vor allem durch die Pandemie einen enormen Schub erhielten. Dazu kommt ab 2023 die Mehrwegpflicht, die RECUP weiteren Aufschwung geben wird. Ein gutes Produkt, das den Zeitgeist trifft und dessen Nutzen jedem sofort klar ist – selbst McDonald’s ist schon mit ein paar Filialen dabei.
Was passiert, wenn große Unternehmen in kleine Food-Start-ups einsteigen?
Im Foodbereich geht es oft darum, etwas besser zu machen als die großen Hersteller, nachhaltiger zu sein, persönlicher, individueller und dabei näher am Kunden. Max Lössl, einer der Gründer von Agrilution, startete sein Unternehmen, weil er Umwelt und Gesellschaft etwas zurückgeben wollte. Mit dem Plantcube bringen er und sein Partner Philipp Wagner Vertical Farming im Kühlschrankformat in die eigene Küche. Die vollautomatisierten Mini-Gewächshäuser werden mit Seedbars befüllt, Licht, Klima und Bewässerung werden automatisch gesteuert.
Diese neue Art von klimafreundlicher Nahrungsproduktion, nah am Verbraucher, gefiel auch Miele. So gut, dass sie 2019 das Food-Start-up Agrilution zu 100 Prozent übernommen haben. Die beiden Gründer sind immer noch dabei und können ihre Vision von moderner Nahrungsmittelproduktion vorantreiben. Auch Otto Wilde Grillers, ein Grill-Start-up, das eine Technik aus der Gastronomie für den Hausgebrauch adaptiert hat, wurde zu 75,1 Prozent von Miele übernommen. Ausschlaggebend war die Innovationsfreude der Gründer, deren Detailverliebtheit und der wachsende Markt Outdoor-Cooking. Die Gründer:in Otto, Alex, Julia und Nils profitieren von Know-how und Marktpräsenz, bleiben aber weiterhin Teil der Firma. Gerade erfinden sie den Gasgrill neu. Der Glaube an die eigene Idee, Nachhaltigkeit und gutes Timing sind die Grundvoraussetzungen für den Erfolg. Für Investoren sind zudem die Gründer:innen und ihre Geschichte wichtig. Das ist es, was am Ende den Unterschied machen kann und wofür die Investoren ihr Geld ausgeben – und letztendlich der Kunde.